
Seit Jahrzehnten geplant, seit Jahren versprochen: Die Straßenbahnlinie 6, auch „Hublandlinie“ genannt. Angesichts der langen Planungsphase – die ersten Pläne sind über 50 Jahre alt – und der vielen Verzögerungen haben viele Leute gar nicht mehr im Kopf, was überhaupt der Stand der Dinge bei der Linie 6 in Würzburg ist. Eigentlich hätten nach 17 Jahren konkreter Planung dieses Jahr die Bauarbeiten beginnen sollen. Doch kürzlich wurde bekannt gegeben, dass sich der Spatenstich ein weiteres Mal verzögert. Um bei dem infrastrukturellen Mammutprojekt nicht den Überblick zu verlieren, ist es Zeit für einen Rückblick in der Planungsgeschichte der Würzburger Linie 6.
Die Linie 6 gibt es in Würzburg bereits – als Buslinie
Streng genommen gibt es die Linie 6 in Würzburg schon lange. Dabei handelt es sich jedoch um die Buslinie 6, die vom Juliusspital über das Frauenland in die Gartenstadt Keesburg fährt. Sobald die 6. Straßenbahnlinie in Würzburg in Betrieb sein wird, bekommt sie den Namen „Linie 6“. Welchen Namen, beziehungsweise welche Nummer die bisherige Linie 6 Richtung Keesburg dann bekommen wird, steht bisher noch nicht fest.
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Warum eine sechste Straßenbahnlinie in Würzburg notwendig ist
Wenn man den Plan der bestehenden fünf Straßenbahnlinien über den Stadtplan Würzburgs legt, wird eine klaffende Lücke im Osten der Mainfrankenmetropole deutlich: Der bevölkerungsreichste Stadtbezirk Frauenland, der neben dem eigentlichen Stadtteil auch den Stadtteil Mönchberg, die Gartenstadt Keesburg und den neuen Stadtteil Hubland umfasst, ist ohne Straßenbahnanbindung. Am Hubland werden in naher Zukunft zusätzlich etwa 4.500 Einwohnerinnen und Einwohner leben. Hinzu kommen tausende Studentinnen, Studenten und Angestellte der Julius-Maximilians-Universität Würzburg sowie Berufsschülerinnen und -schüler und Berufspendler, die von einer schnellen Straßenbahnverbindung in die Innenstadt und zum Hauptbahnhof profitieren würden. Die bestehenden Buslinien kommen daher regelmäßig an ihre Belastungsgrenzen, ebenso die Straßen, auf denen sie fahren. Studien, wie etwa im Rahmen der damals neu eröffneten Straßenbahnlinie in den Heuchelhof, ergeben, dass doppelt so viele Anwohnerinnen und Anwohner den ÖPNV nutzen, wenn es eine Straßenbahnanbindung statt lediglich Busverbindungen gibt. Daher rechnet die WVV bei Inbetriebnahme der Linie 6 mit täglich 28.000 Fahrgästen.

Über die Drachenwiese auf dem Campus Hubland-Süd soll in wenigen Jahren die erste Straßenbahn der Linie 6 fahren, ehe sie anschließend (von diesem Blickwinkel) nach links in Richtung Landesgartenschaugelände abknickt. Foto: Daniel Peter
Die lange Geschichte der Würzburger Straßenbahn
Die Straßenbahn oder „Straba“, wie die Einheimischen liebevoll sagen, hat in Würzburg eine lange Geschichte. Die ersten Bahnen rollten bereits 1891 durch die Altstadt – damals sogar noch von Pferden gezogen. Nur neun Jahre später, also 1899 bis 1900, wurden die Würzburger Straßenbahnen elektrifiziert und fuhren schon bald sogar bis Zell und ins Steinbachtal. Außerdem gab es Anfang des 20. Jahrhunderts in Würzburg bereits eine Straßenbahnlinie, die vom Hauptbahnhof zum Mainfranken Theater und weiter bis zum Rennwegerring fuhr – was in etwa dem Anfang der geplanten Linie 6 entspricht. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden jedoch jene wenig frequentieren Linien stillgelegt und die bestehenden Linien wurden dafür sämtlich zweigleisig ausgebaut.
Der künftige Verlauf der Linie 6 in Würzburg
Mit der Linie 6 sollen sowohl der Bezirk Frauenland mit derzeit fast 20.000 Einwohnern als auch die beiden großen Campi am Hubland der Universität Würzburg an die Innenstadt und den Hauptbahnhof angebunden werden. Genauso das neue Wohngebiet am Hubland, das bisher nur mit einer Buslinie, nämlich der Linie 29, am ÖPNV angebunden ist. So wird die künftige Linie 6 vom Hauptbahnhof auf dem kurzen bestehenden Abschnitt bis zum Barbarossaplatz fahren. Von dort führt die neue Strecke zum Mainfranken-Theater, am Residenzplatz entlang zum Südbahnhof und weiter bis zum Campus Wittelsbacherplatz. Von dort geht der Streckenverlauf weiter bergauf zum Campus Hubland Süd, ehe die Linie 6 zum Campus Hubland Nord abknickt und entlang des Landesgartenschaugeländes von 2018 bis zur Schleife am Bellevue führt. Wer sich den künftigen Verlauf nicht wirklich vorstellen kann, kann sich auf YouTube eine virtuelle Fahrt der Hublandlinie anschauen.

Der Streckenverlauf der Linie 6. Quelle: Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (WVV)
Die Planung der Hublandlinie: Erste Pläne bereits 1973
Erste Pläne einer Straßenbahnlinie in Richtung Frauenland gab es bereits 1973. Die Idee war damals, am Sanderring eine 3,5 Kilometer lange Trasse in den Osten Würzburgs zu bauen, samt 1,4 Kilometer langem Tunnel. Die Pläne kamen in den 1970er Jahren bei der Bevölkerung jedoch nicht gut an. In den 1990er Jahren gewann die Idee mit dem stetigen Bevölkerungszuwachs des Bezirks Frauenland sowie der Erweiterung des Hubland-Campus immer mehr Befürworterinnen und Befürworter. Allerdings kamen zunächst die Vorbereitungen der Planungen nicht ins Rollen.
Der Ursprungsplan: Mit der Straßenbahn zur Landesgartenschau 2018
Erst als 2006 klar wurde, dass die US-Army ihre Kaserne am Hubland bis 2008 räumen würde, nahmen die Ideen konkrete Gestalt an und kamen richtig in Fahrt. Nachdem mehrere mögliche Streckenverläufe auch mit Einbezug der Bevölkerung evaluiert wurden, kam es am 11. Juni 2009 zum Beschluss des bis heute angestrebten Streckenverlaufs. Auch wurde in dem Stadtratsbeschluss festgehalten, die Linie 6 bis 2017 fertigzustellen, damit Gäste mit der Straßenbahn zur Landesgartenschau 2018 fahren können. In der offiziellen Broschüre der Landesgartenschau ging man ebenfalls fest von einer rechtzeitigen Fertigstellung aus.
Der Paukenschlag 2013 – Planungen geraten ins Stocken
2011 kamen jedoch Finanzierungsprobleme zum Vorschein. So war plötzlich unklar, ob die Stadt Würzburg für ihr Großprojekt mit geschätzt 120 Millionen Euro genug Fördermittel bekäme. Dann 2013 der Paukenschlag: Die Linie wird bis zur Landesgartenschau 2018 niemals fertig werden. Ganze 450 eingereichte Einwendungen seitens der Bevölkerung und mangelnde Entscheidungsfreudigkeit mehrerer Stadtratsfraktionen standen dem nötigen Abschluss des Planfeststellungsverfahrens innerhalb von zwei Jahren damals erheblich im Wege. Angesichts der krachend gescheiterten, angekündigten Zeitplanung ist die breite Bevölkerung seitdem mit allen folgenden Ankündigungen, die die Linie 6 betreffen, äußerst misstrauisch und vorsichtig geworden.
Finanzierung geklärt, Planfeststellungsverfahren abgeschlossen
So zogen sich die Planungen weiter hin und das Ringen um die Finanzierung ging weiter. 2017 bekam die Finanzierungsfrage jedoch Klarheit: Der Bund sicherte 60 Prozent Förderung zu, der Freistaat 20 Prozent. Voraussetzung für die Förderung ist bis heute die sogenannte „standardisierte Bewertung“: Die Stadt muss vorweisen können, dass der volkswirtschaftliche Nutzen der neuen Straßenbahnlinie (siehe dritter Absatz) höher sein wird als deren Kosten. Ein Jahr später beschloss der Würzburger Stadtrat die Restfinanzierung durch eine Sonderrücklage. 2020 kam es schließlich zum Abschluss des Planfeststellungsverfahrens, das seitdem bei der WVV liegt, um gemeinsam mit der Stadt die standardisierte Bewertung anzugehen. Ende 2022 wurden auch die letzten Finanzierungsfragen festgelegt: Vom Bund kommen ganze 75 Prozent, vom Staat 15 Prozent Förderung. Für die restlichen 10 Prozent, sprich voraussichtlich 12 Millionen, muss die Stadt Würzburg aufkommen. So verkündete die WVV bereits im April 2021, dass Anfang 2024 mit dem Bau der Linie 6 begonnen werden kann, der voraussichtlich 2027 zum Abschluss kommen soll, wie im folgenden Video zu sehen (Minute 2:20):
Von 2024 und 2027 ist plötzlich keine Rede mehr
Seither herrschte bei allen Beteiligten vorsichtiger Optimismus, dass der Spatenstich der Hublandlinie in greifbare Nähe rückt – bis die WVV im September 2023 auf ihrer Webseite ein kurzes, unscheinbares Update veröffentlichte: „Der tatsächliche Bau kann frühestens Mitte 2026 beginnen“, heißt es darin. Vom Beginn 2024 und von der Fertigstellung bis 2027 ist plötzlich keine Rede mehr. Als Grund nannte das Kommunalunternehmen, dass die standardisierte Bewertung und die EU-weite Ausschreibung der Planungsleistungen weiter andauern würden. Inzwischen (Mai 2024) ist die standardisierte Bewertung abgeschlossen und kommt zu dem klaren Ergebnis, dass der Nutzen der Linie 6 die Kosten übersteigt. Damit wurde eine enorme bürokratische Hürde genummen und die WVV-Tochter Würzburger Straßenbahn GmbH (WSB) kann nun zusammen mit der Stadtverwaltung beginnen, die Bauabläufe zu organisieren. Indes beschloss der Planungs- und Mobilitätsausschuss (PUMA) in der jüngsten Sitzung die straßenbaulichen Begleitmaßnahmen des innerstädtischen Abschnitts der Linie 6 bis zum Geschwister-Scholl-Platz. Die Oberflächengestaltung der als am kompliziertesten geltenden Abschnitte wurden im Ausschuss einstimmig beschlossen, in den meisten Abschnitten soll natursteinpflaster die Oberfläche zwischen den Gleisen bedecken. Dennoch bleibt es dabei, dass der Baubeginn frühestens 2026 erfolgen kann.
Die Chronologie im Zeitstrahl:
- 1973: Erste Pläne einer Line 6 im Osten Würzburg
- 1995: Die Pläne tauchen wieder auf, Vorbereitungen kommen jedoch nicht voran
- 2007: Die Pläne nehmen konkrete Gestalt an
- 2009: Der Beschluss, die Linie 6 bis 2017 noch vor der Eröffnung der Landesgartenschau 2018 in Betrieb zu nehmen
- 2011: Das Finanzierungskonzept ist plötzlich unklar
- 2013: Das Ziel, „mit der Straba zur LSG“ ist aufgrund von 450 Einwendungen Geschichte
- 2017: Neue Fördermöglichkeiten von Bund und Freistaat sichern die Finanzierung
- 2020: Das Planfeststellungsverfahren ist abgeschlossen
- 2021: Die WVV verkündet den Baubeginn ab Anfang 2024 und die Fertigstellung 2027
- 2022: Die Finanzierung ist endgültig geklärt
- 2023: Der Termin des Spatenstichs wird auf frühestens Mitte 2026 verschoben
- 2024: Abschluss des standardisierten Verfahrens